Nahezu unbeeindruckt durch politische Umbrüche und zivilisa-torische Katastrophen haben Ingenieure, Techniker, Unternehmer und Financiers der „Großen Industrie“, aber auch Teile der Arbeiterschaft seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert das Gesicht der Welt in Richtung einer technischen Zivilisation verändert; angefangen von der Elektrifizierung des öffentlichen Raumes über die überregionale Verkabelung der zwischen-menschlichen Verständigung bis hin zur vermeintlichen Erweiterung der Realität durch die globale Vernetzung elektronisch gespeicherter Daten. Die totalisierende Tendenz dieser Entwicklung beobachtend, erkannten die Vertreter der frühen kritischen Sozialphilosophie, dass sich der Fortschritt von Zivilisation und Technik unlängst als Verdinglichung des Kulturellen verselbstständigt hatte. Umbarmherzig schlägt das „Projekt der Moderne“ auf das innerste Selbst jener Subjekte, die es rational steuern und kontrollieren wollten, zurück. Nicht nur die Welt, in der wir leben, auch unsere Wahrnehmung, unser Antriebsleben und unser Bewusstsein werden instrumentell zugerichtet und elektronifiziert.
Der vorliegende Band versteht sich als Beitrag zu einer Kritischen Theorie der Moderne. Einerseits gilt es ein kritisches Bewusstsein für die gegenwärtigen Bedingungen des Heranwachsens zu schaffen und andererseits soll klargestellt werden, dass die konstruktive Begegnung „bedeutungsvoller Anderer“ (Loch) im Generationenverhältnis unerlässliche Voraussetzung dafür ist, dass die Veränderung der gesellschaftlichen Praxis zugleich humanen und rationalen Mustern folgen kann.
Eine Notwendigkeit zur Erziehung ergibt sich aus den zentralen Merkmalen des Kindseins und Erwachsenwerdens. Pädagogik begründet Strategien der Erziehung, die zur Emanzipation von natürlichen Formen der Unmündigkeit und zur Entwicklung einer Basispersönlichkeit beitragen. Pädagogisches Handeln zielt auf die Überwindung von Infantilität und Impulsivität. Denn nur ein erwachsenes Selbst ist fähig zu der Einsicht, dass private Entscheidung für uns und andere nicht folgenlos, sondern stets auch von politischer Natur sind.
Hellinger, Alf
Jg. 1979, Diplom-Pädagoge. Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Fakultät für Bildungswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen. Zuständig außerdem für die Koordination der Tutorien in den hauptamtlichen Studiengängen. Lehre in der Allgemeinen Pädagogik, Forschungsschwerpunkte: Kritische Medientheorie, kulturanthropologische Grundlagen von Erziehung und Bildung.
Die vorliegende Arbeit geht der Bedeutung pädagogischen Denkens innerhalb der sozialistischen Arbeiterbewegung nach. Wie mit einem Blick auf frühsozialistische Theorien und Konzeptionen deutlich wird, nahmen pädagogische Überlegungen bereits in der frühen Phase der sozialistischen Bewegung eine bedeutende Rolle ein. Innerhalb der sich konstituierenden sozialistisch-sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in Deutschland wurden jedoch Erziehungs- und Bildungsfragen eine lange Zeit oftmals bloß als Anhängsel von grundsätzlichen gesellschaftlichen und politischen Überlegungen wahrgenommen. Erst nach dem erhofften und erwarteten Zusammenbruch der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, so die lange dominierende Denkweise, sei die Arbeiterklasse in der Lage, sich Zugang zur Bildung zu verschaffen und ihre bildungspolitischen Zielvorstellungen in die Tat umzusetzen. Die Frage nach der Bedeutung pädagogischer Prozesse für die Überwindung bestehender Herrschaftsverhältnisse wurde dagegen oftmals nur unzureichend beleuchtet. Eine Intensivierung und Ausdifferenzierung pädagogischer Diskussionen innerhalb der Sozialdemokratie vollzog sich zeitlich in etwa parallel zu den innerparteilichen Richtungskämpfen und zur Herausbildung der unterschiedlichen Parteiströmungen im Zuge des Revisionismusstreits.
Die Arbeit verfolgt das Ziel, die Zusammenhänge zwischen den innerhalb der sozialistischen Arbeiterbewegung geführten Debatten um die Ausrichtung einer sozialistischen Theorie und Praxis und den pädagogischen Kontroversen zu untersuchen. Im Vordergrund steht dabei die Frage, inwieweit über die Initiierung von Erziehungs- und Bildungsprozessen Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse anvisiert wurden. Diese Frage impliziert die grundsätzliche und nach wie vor aktuelle Frage nach Möglichkeiten und Grenzen einer emanzipativ angelegten und auf reale gesellschaftliche Veränderungen zielenden Pädagogik in einer herrschaftsförmig organisierten Gesellschaft.
Magister-Studium (Pädagogik, Soziologie, Sozialpsychologie und -anthropologie) an der Ruhr-Universität Bochum. Berufliche Tätigkeit in der Jugendhilfe und als Dozent an der Universität Duisburg-Essen. Arbeitsschwerpunkte: Pädagogik in der Arbeiterbewegung, sozialistische/kommunistische Pädagogik.
Kontakt: marco-steffen@web.de
Band 7
Obgleich der naturwissenschaftliche Schulunterricht unter der bildungspolitischen Chiffre ‚MINT‘ seit einigen Jahren ein hohes Maß an medialer Aufmerksamkeit und finanzieller Zuwendung erfährt, vermag er die intendierten Ergebnisse im Hinblick auf eine angemessene naturwissenschaftliche Bildung doch nicht zu zeitigen; birgt er vielmehr ein fundamentales Problem. Dieses besteht in einer gänzlich unzureichenden erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Güte dieses Unterrichts. Der Begriff der Natur ist in ihm so weit reduziert, dass die Natur den Naturwissenschaften eigentlich in Gänze verschlossen bleiben müsste. Die Diskrepanz zwischen der bildungspolitischen Priorisierung naturwissenschaftlicher Bildung einerseits, welche andererseits offenbar nur um den Preis der Verkürzung der naturwissenschaftlichen Gegenstandsauffassung zu haben ist, bildet den Ausgangspunkt dieser Studie.
Ausgehend von diesem pädagogischen Skandalon untersucht sie die für eine naturwissenschaftliche Bildung angemessenen erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Bedingungen der Möglichkeit von naturwissenschaftlicher Erkenntnis. Von zentraler Bedeutung ist hierbei der Anspruch der Metaphysik als grundlegender Voraussetzung jeglichen Verstehens von Welt. Anhand einschlägiger philosophischer Zugänge aus Antike, Mittelalter und Neuzeit arbeitet die Studie den erkenntniseröffnenden kritischen Gehalt metaphysischen Denkens heraus, um gerade dadurch das Verhältnis von Metaphysik und Naturwissenschaft als ein Kernproblem pädagogischen Verstehens in der Fachdidaktik zu explizieren.
Aus den unternommenen Analysen naturwissenschaftlicher Bildung resultiert darüber hinaus die Erkenntnis der spezifischen Bedeutung metaphysischen Denkens für eine Allgemeine Pädagogik, welche speziell die gegenwärtige wissenschafts-politische Infragestellung der Disziplin unter Kritik stellt.
Pädagoge (Dr. phil.). Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik der Technischen Universität Darmstadt. Lehre in Allgemeiner Pädagogik und Didaktik sowie der Pädagogik der Naturwissenschaften; Forschungsschwerpunkte: Pädagogische Dimension der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaften, Metaphysische Grundlegungen des Pädagogischen, Wissenschaftstheorie der Pädagogik, Kritische Bildungstheorie/Materialistische Pädagogik.
Kontakt: a.luckhaupt@apaed.tu-darmstadt.de
Band 6
Erich Fromm ist vor allem bekannt als der Verfasser des psychologischen Bestsellers „Die Kunst des Liebens“. Seine ausführlichen Studien über die spezifisch menschliche Aggression und Destruktivität wurden bisher von der Forschung kaum zur Kenntnis genommen. Diese Forschungslücke bearbeitet die vorliegende Untersuchung, indem sie Fromms Destruktivitätstheorie auf der Grundlage seiner analytischen Sozialpsychologie und in ihrer Bedeutung für eine kritische Pädagogik untersucht.
Fromms Destruktivitätstheorie ist aus pädagogischer Perspektive interessant, weil sie eine interdisziplinäre Theorie darstellt, die Erkenntnisse aus den Fachbereichen der philosophischen Anthropologie, der Soziologie, der Psychoanalyse und der Psychopathologie kombiniert. Dies ermöglicht es eine Struktur von unterschiedlichen Destruktivitätsformen mit ihren sozialen, ökonomischen und psychodynamischen Ursachen darzulegen, diese zu analysieren und auf ihren Entstehungskontext in der Sozialisation hin zu untersuchen. Aus diesen Erkenntnissen werden unter Rückgriff auf Fromms analytische Sozialpsychologie Konsequenzen für die Theorie und Praxis einer kritischen Erziehungswissenschaft erarbeitet.
Dr. phil. Jg. 1969, ist Lehrer für die Fächer Pädagogik, Philosophie, Deutsch und Gesellschaftslehre sowie Lehrbeauftragter an der Universität Duisburg-Essen.
‚Bildung für nachhaltige Entwicklung‘, so lautet die bildungspolitische Zauberformel des letzten Jahrzehnts, die einen adäquaten Umgang mit globalen Krisen verspricht; doch kann sie dieses Versprechen auch halten? Der Untertitel der hier vorliegenden Studie ‚Zur Kritik eines pädagogischen Programms‘ ist insofern sowohl als genitivus subjektivus als auch als genitivus objektivus zu verstehen. Das Konzept einer ‚Bildung für nachhaltige Entwicklung‘, kurz BNE, ist als pädagogisches Programm einerseits Kritik an einer das Überleben der Menschheit gefährdenden Zivilisationsentwicklung andererseits richtet die Kritik sich auch an eine vermeintlich pädagogische Lösung eines ökonomisch-politischen Globalproblems. Die Pädagogisierung globaler Krisen äußert sich in der Formalisierung subjektiver Kompetenzen und damit in Gestalt einer Individualisierung und Privatisierung der Nachhaltigkeitsproblematik, die mit einer Entpolitisierung weltgesellschaftlicher Krisen einhergeht. Aus der kritischen Analyse des politischen Diskurses und des dominanten pädagogischen Umsetzungskonzepts der BNE werden Schlussfolgerungen in bildungs- wie wissenschaftstheoretischer Hinsicht gezogen. Im Zentrum steht hier ein materialistisches Interdisziplinaritätskonzept, das einerseits die Bildungsdimension nachhaltiger Entwicklung aufdeckt und andererseits Nachhaltigkeit als kritisches Bildungsprinzip freisetzt.
Jg. 1974, Pädagogin (Dr. phil.). Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik der Technischen Universität Darmstadt. Lehre in Allgemeiner Pädagogik und Didaktik, Bildung für nachhaltige Entwicklung; Forschungsschwerpunkte: Kritische Bildungstheorie/Materialistische Pädagogik, Bildung und Nachhaltigkeit, Interdisziplinarität als Grenzdurchbrechung.
Dem Gesamtzusammenhang von Kunst, Kultur, Medien und Konsum, wie er in dem von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno formulierten Konzept der Kulturindustrie reflektiert wird, kommt eine herausragende Bedeutung für den Prozess der Vergesellschaftung in modernen kapitalistischen Gesellschaften zu. Subjektivität unter den Bedingungen der Gegenwart kann dieser Einsicht zufolge als wesentlich kulturindustriell bestimmte Subjektivität verstanden werden, insofern entsprechende Sozialisationseinflüsse gleichsam ,von Anbeginn an‘ in konstitutiver Weise Eingang in die Entwicklung des menschlichen Selbst- und Weltverhältnisses finden. Umso überraschender ist es, dass bis heute keine systematische erziehungs- und bildungswissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Problemkomplex erfolgt ist. Diesem Desiderat will die vorliegende Arbeit Rechnung tragen. Ihr Anliegen ist die Gewinnung eines tragfähigen analytischen Rahmens, der als Orientierungsgrundlage für eine weiterführende Auseinandersetzung mit den pädagogischen Anforderungsdimensionen der Kulturindustrie zu dienen vermag. Ein solches Vorhaben kann angesichts der Weite und Vielschichtigkeit dieses Problembereichs in sinnvoller Weise nur in der Perspektive Allgemeiner Pädagogik durchgeführt werden. In letzter Instanz leitend ist dabei die Frage eines kritischen Umgangs mit dem Sachverhalt kulturindustrieller Sozialisation, der darauf abzielt, Bildungsprozesse im Sinne von Subjektwerdungsprozessen freizusetzen. Unter diesem Anspruch folgt der Gang der Untersuchung dem Weg einer schrittweisen Konkretisierung der dafür notwendigen gesellschafts-, sozialisations-, erziehungs- und bildungstheoretischen Reflexionen im Hinblick auf die Erfordernisse und Perspektiven einer emanzipatorischen pädagogischen Praxis.
M.A. in Philosophie an d er LMU München. Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Fakultät für Bildungswissen-schaften an der Universität Duisburg-Essen und Mitarbeiter beim DGB Bildungswerk Bayern.
Arbeitsschwerpunkte: Kulturindustrie und Pädagogik, Kritische Erziehungs- und Bildungstheorie, Kritische Erwachsenenbildung
Inwiefern bildet Wissen? Wissen wird gesellschafts- und bildungspolitisch ein hoher Stellenwert beigemessen. Geht es um Bildung, wird Wissen als eine wichtige Grundlage vorausgesetzt und Wissen erweist sich – so die allgemeine Überzeugung – für die Initiierung von Bildungsprozessen vor allem als praktisch bedeutsam.
Dieser Band lenkt die Aufmerksamkeit auf die theoretische Analyse des Zusammenhangs von wissens- und bildungs-theoretischen Fragestellungen. Ausgehend von einer Skizze traditioneller erkenntnistheoretischer Ansätze wird die Frage Was können wir wissen? in Auseinandersetzung mit gesellschaftskritischen Überlegungen diskutiert. Mit Donna Haraways Konzeption situierten Wissens steht ein Zugang feministisch-postkolonialer Wissenschaftskritik im Zentrum der vorliegenden Studie, der Wissen als verortete und verkörperte Sichtweisen – partiale Perspektiven also – entwirft. Die epistemologische Dimension unserer Wissensansprüche wird auf diese Weise mit politischen und ethischen Aspekten verschränkt.
Vor diesem Hintergrund nimmt die Autorin eine systematisch-pädagogische Untersuchung des Verhältnisses von Wissen und Bildung auf, deren kritische Revision schließlich die Bedeutsamkeit der Situierung eines bildenden Umgangs mit Wissen in ihren unterschiedlichen Facetten entfaltet.
Mag. Dr. phil., ist Universitätsassistentin am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung der Universität Innsbruck sowie Lehrbeauftragte am Institut für Bildungs-wissenschaft der Universität Wien und am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Karl-Franzens-Universität Graz.
Seit nunmehr ca. 50 Jahren sind die gravierenden Mängel des naturwissenschaftlichen Schulunterrichts in Deutschland empirisch belegt und im Detail bekannt. An den Verstehens-Defiziten konnten daher auch alle in den letzten Jahrzehnten ergriffenen bildungspolitischen und fachdidaktischen Reformmaßnahmen nichts Wesentliches ändern. Zudem gibt es bisher kaum Erkenntnisse über die Ursachen dieser Lern- und Lehrmisserfolge. Dieses ‚Phänomen des Scheiterns‘ der schulischen Vermittlung naturwissenschaftlicher Allgemein-Bildung sowohl auf unterrichtspraktischer als auch disziplinärer Ebene ist Ausgangspunkt dieser Arbeit. Sie untersucht die diesem pädagogischen Skandalon zugrunde liegenden strukturellen Probleme des Verstehen-Lehrens, d.h. die sachlich-systematischen Gründe und sozialpolitischen Funktionen des Scheiterns. Dabei werden unterschiedliche Problem-Typen sowie die pädagogisch relevanten Dimensionen des Problems herausgearbeitet und mit der Kategorie des Verstehen-Lehrens systematisch organisiert, um den Zusammenhang dieser Problemdimensionen erkennbar zu machen. Aus dieser kritischen Strukturtheorie des naturwissenschaftlichen Schulunterrichts werden schließlich einige Schlussfolgerungen in professions-theoretischer Perspektive gezogen. Zum einen werden die unterrichtspraktischen Handlungsanforderungen der Lehrkräfte als ‚Kunst des Verstehen-Lehrens‘ expliziert, zum anderen werden auf der disziplinären Ebene das Programm und die Aufgaben einer ‚Pädagogischen Wissenschaftsforschung‘ skizziert.
Bierbaum, Harald
Jg. 1973, Pädagoge (Dr. phil.). Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik der Technischen Universität Darmstadt. Lehre in der Allgemeinen Pädagogik und Didaktik; Forschungsschwerpunkte: Kritische Bildungstheorie, Theorie pädagogischer Institutionen, Pädagogik der Naturwissenschaften.